Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Geschichte der Orientalistik in Halle

Die Geschichte des Orientalischen Instituts

Die Geschichte der orientalistischen Forschung und Lehre an der  Universität Halle reicht bis in die Gründungsjahre der Universität Ende  des 17. Jh. (1694) zurück. Zunächst befasst man sich mit den semitischen  Sprachen, insbesondere dem Hebräischen, in erster Linie im Interesse  der Theologie; in Halle waren die Forscher von der Reformation  inspirierte Bibelexegeten.

Als eine Frucht des von August Hermann Francke 1702 eingerichteten Collegium Orientale Theologicum erfolgte im Jahre 1720 die Herausgabe der Biblia Hebraica durch Johann Heinrich Michaelis, die den ersten Versuch einer kritischen Ausgabe des Alten Testaments darstellt.

Zu Beginn des 19. Jh. begann eine Loslösung der Orientalistik von der Theologie. Stellvertretend für diese Phase steht Heinrich Friedrich Wilhelm Gesenius,  der „in seinen Arbeiten zur hebräischen Grammatik und Lexikographie in  entscheidender Weise der neu aufkommenden historisch-kritischen  Sprachbetrachtung zum Durchbruch verhalf.“ 1 Sein Lexicon Hebraicum und seine Hebräische Grammatik finden noch heute vielfach Verwendung.

Gesenius’ bedeutendster Schüler Emil Rödiger vertrat 30 Jahre  lang, von 1832 bis 1862, die Semitische Philologie an der  Philosophischen Fakultät in Halle. Seine Nachfolger waren Richard Gosche (1862-1889) sowie Friedrich August Müller (1890-92) und Franz Praetorius (1892-1909).

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert studierten, promovierten und  habilitierten sich weitere bedeutende Orientalisten in Halle, ohne  jedoch an ihrer Alma mater eine Position als Extraordinarius oder  Ordinarius innegehabt zu haben, darunter Georg Jacob und Paul Kahle. Mit

wurde schließlich 1910 eine Koryphäe auf dem Gebiet der Semitistik auf den Hallenser Lehrstuhl berufen. Brockelmann, der bei Theodor Nöldeke in Straßburg promoviert worden war, hatte zu dem Zeitpunkt bereits drei  Jahre als Extraordinarius in Berlin und sieben Jahre als Ordinarius in  Königsberg gelehrt. Sein Lexicon Syriacum sowie seine Geschichte der arabischen Litteratur waren bereits erschienen.

Die Gründung des Orientalischen Seminars an der Hallenser Universität  im Jahre 1918 erfolgte auf Anregung Carl Brockelmanns, der 1918/19 als  Rektor der Universität Halle wirkte. Das Seminar gliederte sich in eine  „Orientalische“ und eine „Indische“ Abteilung, deren Gründungsdirektoren  Prof. Brockelmann sowie Prof. Eugen Hultzsch waren. Brockelmann hatte „die Errichtung eines Seminars für Orientkunde, mit besonderer Berücksichtigung des Islams“ 2 beantragt und gleichzeitig auf die Einstellung eines muttersprachlichen Lektors für das Türkische gedrängt, die auch erfolgte.

Nach dem Wechsel Brockelmanns nach Breslau 1922 wurde

neuer Ordinarius für „Vergleichende Semitische Sprachwissenschaft und  Islamkunde.“ Bauer gelang 1929/30 in Zusammenarbeit mit den  französischen Kollegen Charles Virolleaud und Édouard Dhorme die Entschlüsselung der neu entdeckten ugaritischen Keilschrifttexte von Ras Schamra (Nordsyrien). Nach Bauers plötzlichem Tod 1937 wurde

nach Halle berufen, wo er bis 1965, über seine Emeritierung 1962 hinaus, die Semitische Philologie vertrat.

Fück hatte die Jahre 1930-35 als Professor an der Universität Dakka  (britische Kolonie Bengalen, heute Dhaka/Bangladesch) verbracht. Nach  dem Krieg bot Fück, der ein engagierter und verantwortungsvoller  Hochschullehrer war, den Studierenden in Halle die Möglichkeit zu einer  umfassenden und soliden orientalistischen Ausbildung. Der 1937 aus  Breslau nach Halle zurückgekehrte Brockelmann widmete sich ab 1947 als  Professor mit Lehrauftrag (Turkologie) vermehrt dem Türkischen. Ab Mitte  der 1950er Jahre vertrat der iranische Gastprofessor Rajabali Khorb das Persische.

Von Johann Wilhelm Fück übernahm dessen Schüler

nach seiner Habilitation 1965 zunächst kommissarisch die  Geschäftsführung des Orientalischen Seminars, bevor er nach der  Umstrukturierung der Universitäten der DDR in „Sektionen“ 1970 auf die  Professur für Orientalistik der „Sektion Orient- und  Altertumswissenschaften“ berufen wurde, die er bis 1991 innehatte.

Heute sind am Orientalischen Institut der Martin-Luther-Universität  Halle/Wittenberg die Seminare für Arabistik und Islamwissenschaft,  Christlichen Orient und Byzanz, Judaistik und Jüdische Studien, das  Südasien-Seminar und das Seminar für Indogermanistik zusammengefasst.

Dr. Kathrin Eith

Literatur:

  • Henrik Eberle: Die Martin-Luther-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945, Halle 2002.
  • Eckehard Ellinger: Deutsche Orientalistik zur Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945, Edingen-Neckarhausen 2006.
  • Manfred Fleischhammer: Die Orientalistik an der Universität Halle (1694-1937) – Eine Skizze, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg   , VII/4, S. 877-884, 1958, zugl. XIV. Deutscher Orientalistentag, Halle 1958.
  • Kai Hafez: Orientwissenschaft in der DDR. Zwischen Dogma und Anpassung, 1969-1989, Hamburg 1995.
  • Frank Hirschinger: Der Spionage verdächtig. Asylanten und ausländische Studenten in Sachsen-Anhalt 1945-1970, Göttingen 2009.
  • Steffen Reichert: Unter Kontrolle. Die Martin-Luther-Universität  und das Ministerium für Staatssicherheit 1968-1989, 2 Bde., Halle, 2007.
  • www.catalogus-professorum-halensis.de   

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